Neuseeland 2011
Vorbemerkung: Über das Laufen mit Flipflops
... die in Neuseeland allgegenwärtig sind
Mit der Frage:
begann der letzte große Reisebericht über Australien. Es folgten viele Antworten über Land und Leute vor Ort.
Und auch hier stellt sich wieder die Frage nach dem Sinn einer so weiten Reise, zumal ja Neuseeland so ähnlich sein soll wie Europa - so hört man immer wieder. Die Antwort kann ich, Albert, mir aber erst jetzt treffsicher geben, nachdem ich wieder zurück bin.
"Musst weiter reisen um daheim zu sein..." ist das Zitat aus "Fanta Vier: Jede Generation". Und mit diesem Zitat versuchte ich bisher Jutta aufzuziehen wenn sie von der Neuseelandreise träumte. Jetzt sind wir zurück und ich stelle fest, daß genau das bei mir eingetreten ist. Ich bin tatsächlich um die halbe Welt gefahren, um mein inneres "daheim" zu erfahren. Nicht nur theoretisch zu wissen sondern bei der Rückkehr tatsächlich zu empfinden, zu erkennen, wie es richtig sein sollte, und wie es hier im Moment nicht ist.
Hektik auf der Fahrt vom Flughafen nach Hause am Samstag Nachmittag. Besorgte, in sich gekehrte Menschen beim Einkaufen. Wir stehen hier unter Streß - ja, das ist auf rationaler Ebene bekannt. Wie sich das aber anfühlt, wenn man nicht gestreßt ist und dann in diese Umgebung geworfen wird, habe ich am Tage der physischen Heimkehr - in doppeltem Sinne - erfahren. Es ist wirklich unglaublich. Das Leben in Neuseeland - auf dem Lande und auch in der Millionenstadt Auckland - ist unglaublich viel entspannter als bei uns. Und es funktioniert trotzdem.
Ich habe das Leben in den vier Wochen dort nicht als besonders langsam oder träge wahrgenommen - und das Fehlen von Hektik fällt dort nicht auf. Wenn man selbst hektisch ist, geht einem manches vielleicht nicht schnell genug, aber es war kein Mangel an Qualität oder gar Effizienz oder Effektivität - nur höchstens ein Mangel an wahrgenommener Geschwindigkeit.
Von heute auf die vier Wochen schauend fällt auf, daß alles gut funktionierte - ohne Hektik - und keinerlei Verlust an Lebensqualität da ist, sondern - wer hätte das gedacht - ein Gewinn. Ich hatte nicht den Eindruck, daß den Leuten dort das Fehlen der Hektik und das Leben in dieser Qualität bewußt ist. Aber ich kann nun verstehen, wie Besucher aus anderen Teilen der Welt Deutschland oder den hektischen Kulturkreis wahrnehmen. Wahnsinn!
Und dazu paßt, daß man dort so viele Menschen mit Flipflops sieht. Mit dieser inneren Ruhe und Gleichmäßigkeit kann man auch in Flipflops laufen - oder besser: um mit Flipflops laufen zu können, darf man nicht hektisch sein.
Wie nun dieses Gefühl in die "alte Welt" retten? Es ist nicht Langsamkeit, es ist das weiche Fließen des Lebens. Wie beschreibt man ein nicht hektisches Handeln? Wie war das Zitat über Afrika: "Only food runs". Also nicht auf der Flucht sein, nicht die Beute sein, nicht getrieben werden - sondern mitfließen. Und das gibt's auch als Bürospruch: "Ich bin hier auf der Arbeit - und nicht auf der Flucht".
Die Eckwerte
Wir waren ingesamt 4 Wochen unterwegs, davon gut 2 Wochen auf der Südinsel und knapp 2 Wochen auf der Nordinsel. Die Südinsel ist, was Fauna und Flora angeht, etwas ursprünglicher erhalten und dünner besiedelt als die Nordinsel. Die Infrastruktur der Übernachtungsmöglichkeiten dort legt die Benutzung eines Campers bzw. eines Zeltes nahe. Auf der Nordinsel läßt sich gut in Hotel bzw. Bed and Breakfast bzw. Home-/Farmstays unterkommen. Und genau so haben wir es gemacht:
Die Südinsel bereisten wir mit einem komfortablen Campervan Mercedes Sprinter und fanden entweder auf den DOC-Campsites oder in Holiday-Parks mehr oder weniger gemütliche oder gut ausgestattete Plätze. In der Regel gilt: je mehr Luxus am Platz, desto weniger lauschig.
Auf der Nordinsel hatten wir einen Mix von Hotels und B&B-Übernachtungen. Das fanden wir ausgesprochen unterhaltsam, denn so kommt man einerseits mit den "locals" in Kontakt und kann andererseits bei den Hotelübernachtungen auch mal ganz für sich sein und ist näher in der Stadt - empfiehlt sich also für die Städte, in denen "was los" ist. Jeder möge für sich entscheiden, wieviel Nähe zu den Einheimischen oder zum Nachtleben er benötigt.
Beide Inseln sind mit dem Auto sehr einfach zu bereisen, da einerseits die Anzahl der Straßen stark begrenzt ist und andererseits alles recht gut ausgeschildert ist. Der detaillierte Autoatlas, der Bestandteil der Camperausstattung war, hat uns auf der Südinsel allerdings manches Suchen nach Plätzen von Interesse deutlich erleichtert. Ein Navi - oder wie man dort sagt: GPS - ist zwar nicht nötig, entspannender war es aber schon. Wir kamen mit unserem Android-Handy und den freien Karten von Open-Street-Map gut zurecht. Testweise haben wir uns auch mal mit Google durch Dunedin zum Holiday-Park routen lassen. Das kostet dann allerdings wertvolle Internetdaten - doch dazu später.
Auf der Nordinsel hatten wir nur eine Karte von der ganzen Insel und jeweils ein Stadtplan von Wellington und von Auckland - das war etwas dünn. Hier half uns der Dumont-Reiseführer "Richtig Reisen" schon mal aus der Verlegenheit.
Wenn es in diesem Reisebericht um "Kiwis" geht, dann meinen wir damit die Neuseeländer an sich - denn so nennen sie sich selbst - und auch die - von eingeschleppten Opossums bedrohten - putzigen Landvögel mit dem langen Schnabel. Das, was wir als leckeres Obst kennen, nennt der Neuseeländer "Kiwi-Frucht". Das Obst bekam diesen Namen übrigens erst in den 50er Jahren, als man ein treffendes Wort per Preisausschreiben suchte.
An dieser Stelle sei ausdrücklich dem erfahrenen Team von Horizont-Fernreisen gedankt. Sie haben wirklich schöne Unterkünfte herausgesucht (die B&Bs haben wir hier verlinkt) und auch gute Tips gegeben. Und es hat alles wie am Schnürchen geklappt! Klasse!
Die Südinsel - erste Woche
Wir starteten in Christchurch - neun Tage vor dem Erdbeben dort. Aus der Großstadt heraus führte uns die ersten Fahrt zu einem DOC-Campingplatz am Klondyke - ja, den gibt es in Neuseeland auch. Dort lernten wir am nächsten Morgen die größten Plagegeister Neuseelands kennen: Sandflies! Mücken so groß wie Fruchtfliegen, allerdings stehen sie total auf Menschenblut, und ehe wir uns versahen, war wir schon perforiert. Besonders Albert hatte es erwischt, wir zählten nach ein paar Tagen etwa 250 Stiche. Und diese Stiche jucken etwa 10 Tage lang wie die Hölle.
Trotzdem machten wir am nächsten Tag am Arthurs Pass unsere erste Wanderung Wir entschieden uns für die leichtere von zwei Passagen zu einem schönen Aussichtspunkt. Der Aufstieg war mit "mittelschwer" angegeben und sollte etwa 3,5 Stunden dauern. Doch was mußten wir erleben: von der Straße bog ein Pfad mit 60° Steigung ab und bei dessen Anblick zogen wir bereits die Jacken aus, obwohl es noch recht frisch war. Der Weg, den wir hinaufkraxelten, war zwar landschaftlich sehr schön zu gehen, aber uns hat er gewaltig Puste gekostet. Nach etwa 3 Stunden hatten wir geschätzte zwei Drittel geschafft und es war mittlerweile Mittag. Da wir den gleichen Weg wieder zurück mußten, beschlossen wir, Pause zu machen und danach wieder zurück zu gehen. Im Nachhinein betrachtet war das die richtige Entscheidung, denn als wir schließlich wieder unten waren, waren wir ziemlich geschafft.
So steuerten wir zur Übernachtung den "vermutlich schönsten Holiday-Park" (Eigenwerbung) in Jacksons an. Das Plätzchen ist wirklich sehr schön gelegen, sehr gepflegt und mit tip-top sanitären Einrichtungen versehen. Dort haben wir dann erstmal ein "Goodbye Sandfly"-Öl gekauft, um zukünftig die Sandflies auf Distanz zu halten und die eingefangenen Stiche zu pflegen - hat auch ganz leidlich funktioniert. Am nächsten Morgen dann das erste "dumpen" - Chemietoilette und Grauwasser (das Wasser aus der Spüle) wollen regelmäßig entsorgt werden - und zwar nur an offiziellen Sammelstellen. Darauf legen die Kiwis sehr großen Wert - wir natürlich auch.
Wir wählten die Route nach Westen, denn das Wetter sollte sich dort von seiner besten Seite zeigen - was recht ungewöhnlich ist. Wir wollten einen der beiden großen Gletscher zu besuchen. Zunächst jedoch schauten wir uns im Punakaiki-Nationalpark die berühmten Pfannkuchen-Felsen an. Von dort ging es dann weiter Richtung Gletscher nach Süden. Auf dem DOC Camping-Platz Ottos genoßen wir einen ersten schönen Blick auf das Bergmassiv - inklusive Gletscher. Albert nutzte die Gelegenheit für ein Bad im See, denn das Wetter war in der Tat so gut, wie es kaum hätte besser sein können. Auch hier war allerdings - wie praktisch überall auf der Südinsel - bis zum Sonnenuntergang hohe Sandflybelästigung.
Der Fox-Gletscher ist nicht ganz so überlaufen wie der Franz-Josefs Gletscher und so wählten wir am nächsten Morgen erstgenannten. Sicherheitshalber mal beim dortigen Veranstalter angerufen, denn für die Kiwis ist "vorbuchen" essentiell. Wer nicht vorbucht, der kann leicht in die Verlegenheit kommen, hintan zu stehen. Eine gut organisierte Tour führte uns in anderthalb Stunden strammen Bergaufmarschs ("moderate fitness"!) über 300 Höhenmeter auf den Gletscher hinauf und eine gute Stunde sind wir dann über das mit Schmutz durchsetzte blaue Eis gelaufen. Bei dem Schmutz handelt es um kleinste Staubteilchen, die einst als Kristallisationskeime der einzelnen Schneeflocken dienten und nun nach Schmelzen des Eises als Gesteinsmehl übrig bleiben. Das Eis selbst ist dann kristallklar und weiß, grünlich oder bläulich. Die Temperaturen waren recht angenehm und die Szenerie sehr beeindruckend.
Vom Fox-Gletscher ging es weiter nach Süden über den Haast-Pass wieder auf die östliche Seite der "Southern Alps". Unterwegs hielten wir immer wieder an, um bei ein paar kleinen Wanderungen schöne Blicke auf die Berge oder den ein oder anderen Wasserfall zu erlangen. Die Übernachtung am DOC Campingplatz Boundary Creek am Nordufer des Lake Wanaka war recht windig, und wir waren froh, daß wir nicht - wie eine Gruppe Mountain-Biker - Zelte aufbauen mußten.
Am nächsten Morgen haben wir uns nach einem - schweißtreibenden - Aufstieg, bei dem uns der ein oder andere Kiwi joggender Weise überholte, auf den Mount Iron die Gegend von oben angeschaut. In der Puzzling World hatten wir Spaß an den Narreteien mit Perspektivenverschiebung und ließen uns im Riesenlabyrith weitere eineinhalb Stunden an der Nase herum führen. In Wanaka genossen wir dann die Freuden eines Holiday-Parks - wir haben eine erste Waschmaschine angeworfen und - wegen des schlechten Wetters - die Wäsche im großzügig bemessenen Mercedes Sprinter auf die Leine gehängt. Die Restaurantempfehlung "Relishes Cafe" aus dem Dumont Reiseführer "Richtig Reisen - Neuseeland" in Wanaka war auch tatsächlich ein guter Tip, und so klang der Abend sehr angenehm aus.
Die Südinsel - zweite Woche
Am nächsten Tag wollten wir uns mal den Bungee-Punkt Kawarau-Bridge ansehen: Die Brücke über den reißenden Fluß ist die erste Bungeelocation gewesen. Und mittlerweile ist sie eine Hauptattraktion der Gegend - kein Reisebus, der dort nicht anhält und seine neugierigen Passagiere dort entlädt. In 3-Minutenfolge stürzen sich dort die Begeisterten die 43 m in die Tiefe. So zog es auch uns erst zur Zuschauertribüne, dann in der Magengrube, dann auf die Brücke und schließlich gemeinsam am Gummiseil runter. Und kaum hatte einen das Gummiboot wieder von der Leine geknüpft, und war die Schlucht wieder hochgestiegen, waren auch schon Fotos und Postkarten verkaufsfertig vorbereitet - eine perfekte Organisation. Wir haben uns natürlich auch noch die DVD mit persönlichem Video geleistet. ;-)
Weiter ging es nach St. Bathans, einer alte Goldgräberstadt. Dort hatten die Goldsucher mit Hochdruckwasserspritzen einen ganzen Berg weggespült um an das begehrte Metall zu kommen. Der DOC-Camping-Platz war sehr einsam, wie auch der Ort sehr einsam war. Weil das Wetter wieder prächtig war, machten wir am nächsten Morgen noch einen ausgiebigen Spaziergang um den See, der einst ein Berg war. Zur Belohnung gab es dann im Vulcano-Hotel - in dem Zeit seit 150 Jahren still zu stehen scheint - das erste typische Frühstück: Muffins und Scons.
Auf dem Weg zur nächsten Übernachtung - dem Holiday Park in Dunedin - probierten wir zum ersten mal den Navi von Google aus. Juttas Android-Handy hatten wir mit einer Vodafone Prepaid-Karte gefüttert, um lokal erreichbar zu sein und dabei kein Vermögen an Roamingkosten zu erzeugen. Für uns Vertragskunden war es nicht so ganz einfach, die Prepay-Philosophie von Vodafone zu verstehen - insbesondere dann, wenn es um Internet-Access geht. Wir waren aber nicht die einzigen, die damit ihre Schwierigkeiten hatten - einige Verkäufer und auch Cafegäste jugendlicheren Alters waren ebenfalls nicht in der Lage uns zu erklären, was wir wie top-uppen mußten, um weitere 50 MB Internettraffic zu bekommen. Die Vodafone-Hotline half letztlich dann weiter und so sind wir mit insgesamt 100 MB Internet während der 4 Wochen glücklich geworden.
Das allerdings nur, weil wir das Routing nur zwei-, dreimal benutzten und sonst mit den vorher herunter geladenen Open-Street-Map Karten navigieren konnten. Man kann also fast ohne Internet auskommen, entspannter ist es allerdings, wenn man ab und zu mal nach der Wettervorhersage gucken kann, eine Buchung übers Internet machen kann oder eine Straße in einer Stadt sucht. Ansonsten verzichteten wir gerne auf Onlinepräsenz, Nachrichten und e-mails.
Bei Dunedin besuchten wir die Otago-Halbinsel mit der berühmten Albatros-Aufzucht-Station. Allerdings waren nur wenige der riesigen Flieger zu sehen und auch Pinguine und Seelöwen waren nur spärlich vertreten. Von Dunedin selbst - das wir nur verregnet erlebten - ging es weiter zum DOC-Campingplatz Trotters Gorge. Diese malerische Waldlichtung teilten wir im Regen mit 7 anderen Fahrzeugen. Ein Päarchen schlief sogar im PKW - wir fanden's im Sprinter schon eng. Mittlerweile hatten wir den Energiehunger der Fotoapparate, des Androids und des Imagetanks mit MP3-Player so gut im Griff, daß wir während der Fahrt über einen Wechselrichter (Conrad sei dank) alle Geräte laden konnten. Der nächste Campingstandort benötigte damit also keine "powered site" mehr und so waren auch die Standplätze in den großen Anlagen etwas gemütlicher.
Auf der Fahrt zum Lake Tekapo hörte Jutta beim Einkaufen eine aufgeregte Radiomeldung, die sie nicht einordnen konnte. Nach dem nachmittäglichen Spa am Lake Tekapo sahen wir dann dort auf den Monitoren das Drama: Erdbeben in Christchurch. Wir warteten noch bis kurz vor sieben, um dann ein paar SMSe nach Hause zu schicken, daß mit uns alles OK sei. Eigentlich wollten wir am nächsten Tag nochmal nach Christchurch um uns die Peninsula in Ruhe anzuschauen. Davon nahmen wir jetzt Abstand und fuhren am nächsten Tag auf Nebenstrecken Richtung Norden. Auf dem Weg sahen wir lauter Tankstellen, die alle keinen Sprit mehr hatten - gut, daß unser Sprinter noch halb voll war.
Wir machten Station auf einem Campingplatz am Ortsrand von Hamner Springs. Eine kleine Wanderung am späten Nachmittag - diesmal nur mit mäßiger Steigung - machte Lust aufs Abendessen. Der Campingplatz erinnerte eher an ein altes Schullandheim - Waschräume übertitelt mit "boys" "girls" und Türen mit "teacher" und wir waren die einzigen Camper. Ein paar "cabins" waren noch belegt, aber sonst war nix los. Beim Abspülen in der Küche haben wir dann im Fernsehen mehr vom Erdbeben in Christchurch gesehen. Und dann haben wir auch gemerkt, wer in den Cabins wohnte: Flüchtlinge aus Christchurch. Da kommt man sich ziemlich komisch vor, wenn man dort auf Urlaub ist, wo andere eine Zuflucht nach dem Erdbeben gefunden haben.
Das Wetter wurde wieder besser, und auf der Fahrt nach Motueka haben wir noch eine lange Hängebrücke besucht. Ziemlich hoch, ziemlich lang, ziemlich eng - aber zum Glück nur wenig wackelig. Trotzdem eine Riesengaudi, weil einem auf der ein-mann-breiten Hängebrücke jede Menge Leute begegnen. Der Holidaypark in Motueka bot uns beim Anmelden direkt eine Buchung für einen Transfer in den Abel-Tasman-Nationalpark an. Wir entschlossen uns allerdings, das doch lieber selbst zu organisieren.
Laut Reiseführer kann man an den "bunten Buden am Strand" das beste Angebot raussuchen, und so waren wir dann um 8:30 Uhr in Kaiteriteri vor Ort - wir hatten ja nicht gebucht. Tatsächlich sind die Aquataxis, die einen an einen Startpunkt des Weges fahren und an beliebiger Stelle abholen nicht so flexibel, daß man Zeit und Abholepunkt auf der Wanderung nach persönlichem Zustand frei entscheiden kann. Nein, man muß vorher sagen, wo man wann abgeholt werden möchte. So schätzten wir für 14 Kilometer 4,5 Stunden als reichlich bemessen ein und liefen los. Leider war aber auch dieser Weg keineswegs so einfach zu gehen, wie wir uns das gedacht hatten.
Wir machten ziemlich Dampf, um die auf den Wegweisern angegebenen Zwischenzeiten zu halten und das gebuchte Boot zu erwischen, und sind dann - nach gut 3 Stunden an der Zielbucht gewesen. Dort haben wir dann Mittag gemacht und uns das erste Mal mit anderen deutschen Urlaubern unterhalten - denen wir, wie wir nach Sichtung der Hängebrückenvideos feststellten, am Tag zuvor schon mal begegneten. Mit dem Aquataxi also wieder zurück und ab in Richtung Marlborough Sounds.
Der Weg zog sich ganz ordentlich und so machten wir Halt am DOC-Camping Pelorus Bridge. Dieser ist im Gegensatz zu den anderen DOC-Plätzen nicht nur mit Plumpsklo ausgestattet sondern hat auch noch Küche, Dusche und normale Toiletten - dafür kostet er auch mehr und hat zugewiesene Stellplätze. Im konkreten Fall war das aber nur mittelprächtig, denn die besagten Anlagen liegen leider so im Gelände, daß sie öfter mal vom Pelorus-Bach überspült werden. Der Neubau - aus ebenjenen Gründen auf Stelzen - ist zwar kurz vor der Fertigstellung, die vorhandenen Anlagen waren aber eher runtergekommen.
Am nächsten Morgen gings dann über Nelson und Blenheim nach Picton. Dort gaben wir den Camper ab und wurden auch hier - so wie in Christchurch - von einer Mitarbeiterin des Autovermieters "Pacific Horizon" auf's freundlichste behandelt und dann zu der ersten Bed & Breakfast-Übernachtung, dem Michiru-Homestay gefahren.
Tags drauf hatten wir eine geführte Tour über einen Teil des Queen Charlotte-Tracks gebucht. Der Wanderpfad führt im Marlborough Sounds Maritime Park vom ehemaligen Stützpunkt James Cooks entlang des Queen Charlotte-Tracks und zeigt eine ziemlich ursprüngliche Vegetation. Ein wunderschöner Weg, der hervorragend ausgebaut und nicht sehr anstrengend war. Nach 5 Stunden inclusive Mittagsrast waren wir wieder auf dem Boot.
Auf dem Boot gab es noch bemerkenswerte Informationen über die Art und Weise, wie die Neuseeländer hier gegen fremde Pflanzen und Tiere vorgehen: die schnellwachsenden Zedern, die zur Holzwirtschaft eingeführt wurden, werden vergiftet, um dem heimischen Bewuchs wieder den Lebensraum zurückzugeben. Anderseits betreiben die Neuseeländer eine Holzwirtschaft, daß es einem graust. Ganze Hänge werden radikal abgeholzt, so daß es anschließend den Mutterboden wegspült - wir fanden das sehr merkwürdig.
Die Nordinsel - dritte Woche
Die Südinsel verließen wir dann am nächsten Tag, jedoch nicht, ohne einen Besuch im Aquarium zu machen. Die Fütterung der Fische vor den Augen einer ABC-Schützen-Klasse war in Sachen Unterhaltungswert kaum zu überbieten. Auch die kindgerechten Erklärungen waren für uns als nicht perfekt Slang verstehende Deutsche gut mitzubekommen. Mit der Fähre ging es dann in 3 Stunden nach Wellington, der "windy city".
Ein Abend in Wellington mit einem Besuch im Wettbüro-Pub - coole Atmosphäre - und ein Essen in Cuba-Viertel - dort geht's auch ohne Reservierung - sollte uns erstmal genügen. Am nächsten Morgen noch eine Runde um dem Flughafen und ein Abstecher zum einzigen Tower weltweit, der eine private Postadresse hat - echt schräg. Von dort noch einmal durch die Wohngebiete über die Hügel der Stadt und ein kleiner Abstecher ins Regierungsviertel.
Unser Weg führte uns dann ins zweite Weinanbaugebiet, nach Martinborough. Im "The Old Manse", dem ehemaligen Haus des Pfarrers genossen wir die Ruhe der Gegend, den guten Tropfen aus ebenjener Gegend und lümmelten erstmals seit langem wieder vor dem Fernseher auf dem Sofa. Der nächste Tag war dann recht regnerisch und stürmisch und so fuhren wir nach Paraparamu ins große Automuseum. Ein privater Sammler hat dort eine riesige Anzahl von Autos, Motorrädern und sonstigem technischen Allerlei zusammengetragen. Man kann dort tatsächlich einen halben Tag verbringen, ohne wirklich alles gesehen zu haben.
Der nächste Tag ließ sich dann etwas besser an, und wir zogen weiter nach Norden. Auf unserem Weg lag Masterton, und wir kamen gerade recht zu den jährlich stattfindenden "Golden Shears". Hier zeigen Teilnehmer aus der ganzen Welt, was sie in Sachen Schafscheren, Wollepressen und Wollhandling drauf haben. Die Veranstaltung läuft über drei volle Tage, wir schauten uns etwa 2 Stunden die Vorausscheidungen an. Dann gings weiter nach Havelock North, einer kleinen Ansiedlung südlich von Napier, ins Havelock House die nächste Bed & Breakfast-Unterkunft.
Auf einem Tandem, ausgestattet mit einem Lunchpaket und zwei Wasserflaschen machten wir am nächsten Tag die Weingüter um Hawkes Bay unsicher. Auf einem Rundweg liegen 9 Weingüter, bei denen man Wein verkosten und natürlich auch kaufen kann. Der Service von "On yer bike Winery Tours" ist dabei so gut, daß man die gekauften Flaschen nicht auf seinem Fahrrad nach Hause transportieren muß, nein "On yer bike" sammelt am Ende der Tour alles ein und bringt alle Ware zum Auto. Was will man mehr. Trotz dieses Services haben wir aber dann doch zwei Weingüter ausgelassen - wir wollten ja noch im Hellen wieder zurück sein.
Die Nordinsel - vierte Woche
Der nächste Tag bescherte uns Regen. Wir machten daher in Napier im Aquarium unter dickem Plexiglas unter Rochen und Haien einen Spaziergang. Genauer gesagt sind wir 5 mal die gleiche Runde unter dem Becken gelaufen, bzw. haben uns vom people-mover unter den Fischen durchschieben lassen.
Eine Führung durch das nach einem Erdbeben 1931 völlig zerstörte und im Art-Deco Stil wieder aufgebaute Napier sollte uns am Nachmittag einen Eindruck vergangener Tage geben. Bei dieser Führung ist uns bewußt geworden, daß für die Kiwis Erdbeben grundsätzlich nichts ungewöhnliches sind.
Der Versuch, um 16:15 Uhr noch einen Kaffee zu bekommen, wäre fast gescheitert, denn um diese Uhrzeit schließen die Cafés. Dafür machen eine Stunde später die Restaurants auf. Gegessen wird dann ab 18:00 "til late" - also bis 21:00 - dann räumen auch die Restaurants die Stühle ein. Wer in Neuseeland regelmäßig essen will, der muß seinen Magen ziemlich gut im Griff haben.
Aus der Ebene ging es dann wieder in die Höhe und wir steuerten am folgenden Tag den Tongariro National Park an. Im Winter ein Skigebiet, denn zwei nur mäßig aktive Vulkane heben den Boden auf über 2000 Meter an. Wir nutzten die Gegend für ein paar schöne Wanderungen. Glücklicherweise waren die Steigungen nur moderat und das Wetter verwöhnte uns am zweiten Tag mit strahlendem Sonnenschein und angenehmen 20°C.
Weiter nach Norden ging es zum Lake Taupo. Dort haben wir ziemlich viel Spaß bei einer Quad-Tour gehabt. Der Veranstalter hat einige Kilometer "Loipe" in den Buschwald geschlagen und so sind wir auf den Suzuki-Quads quasi im Tiefflug - immer wieder den herunterhängenden Ästen ausweichend - durchs Unterholz gebrettert. Als die erste Stunde rum war, wollten wir eine weitere Stunde dranhängen, aber leider waren schon die nächsten gebucht(!) und so mußten 1,5 Stunden genügen. Wir sind ganz froh, daß wir dort die Quads gefahren sind, denn in Europa ist diese Art durchs Unterholz die Berge hoch und runter zu heizen aus Umweltschutzgründen wohl eher schwer zu bekommen.
Anschließend machten wir einen Abstecher ins "Hidden Valley", ein Tal, in dem geothermische Aktivitäten bis zur Oberfläche reichen und Geysire und brodelnde Schlammlöcher geschaffen hatten. Man lebt in Neuseeland also fast überall hautnah über dem heißen Erdinneren. Anschließend noch ein Abstecher zum Geothermiekraftwerk, in dem pro Stunde 1400 Tonnen Heißdampf mit 250°C aus dem Erdinnernen zur Stromerzeugung genutzt werden.
In Rotorua haben wir uns dann - auch auf Empfehlung unserer Gastgeberin im Country Oaks - etwas intensiver der Maori-Kultur gewidmet. Die traditionelle Begrüßungszeremonie ist quasi das Pflichtprogramm, auf Beteiligung bei diversen Tanzeinlagen haben wir aber dankend verzichtet. Die Neuseeländer geben sich große Mühe, die Maori in die Gesellschaft zu integrieren und Kunst und Kultur lebendig zu halten. Man hat den Eindruck daß das schlechte Gewissen ein wenig drückt, denn die Besiedlung Neuseelands und die Vereinnahmung des Landes durch die weißen Siedler geschah durchaus nicht mit Zustimmung der Maori. Allerdings muß man sagen, daß die Maori ihrerseits Neuseeland kriegerisch einnahmen. So wiederholt sich allerorten die Geschichte von Eroberung und Unterwerfung.
Auf dem Weg nach Norden mußten wir auch noch unbedingt in die Glühwürmchen-Höhle in Waitomo. Die Decke dieser Höhle ist von sovielen Glühwürmchen bedeckt, daß man dabei soger schemenhaft die Höhlenwände erkennen kann - beeindruckend. Für ein Foto hat das Licht jedoch nicht gereicht, und das Gruppenfoto am Höhlenausgang haben wir nicht haben wollen - was will ich mit einem Foto von Leuten in einem Boot, wo kein einziges Würmchen zu sehen ist.
Auckland war dann das Ende der Reise und auf einmal waren wir mitten im urbanen Leben. Vom Skytower hat man einen großartigen Blick über das riesige Auckland. Weil die Kiwis nicht gerne mehrstöckig bauen, ist das Stadtgebiet riesig. Die Stadt lebt von Gegensätzen zwischen alt und modern, ist betriebsam aber nicht hektisch. Allerdings gilt auch hier wie in ganz Neuseeland: "enuff un enunner - de ganze Daaach". Der meiste Teil Neuseelands ist sehr hügelig - und das trifft auch auf die meisten Städte zu. Die Neuseeländer stört das wenig - sie fahren viel mit dem Auto - oder sind recht fit zu fuß. Für Flachlandtiroler wie uns eine ziemliche Herausforderung. Ein geflügeltes Wort in unserem Urlaub war dann übrigens das Zitat aus dem Wanderführer: "man gewinnt schnell an Höhe!" - und das nicht wegen eines Aufzugs oder gar Sesselliftes.
Den letzten Tag vor dem Abflug gönnten wir uns noch ein spezielles Erlebnis: man kann eine Tour mit einer ehemaligen Americas-Cup-Yacht machen. Leider war der Wind recht schwach - mehr als 1 Bft war wohl nicht drin. Dennoch lief der Kahn gute 9 Knoten beim Am-Wind-Kurs. Beeindruckend! Man kann sich vorstellen, wie der zieht, wenn mal Windstärke 5-6 anliegt.
Am Abreisetag haben wir mit dem Linkbus noch eine Stadtrundfahrt gemacht. Öffentliche Verkehrsmittel sind - Zitat der Kiwis - eine Katastrophe, aber dieser Bus fährt in einer Stunde eine große Runde durch Auckland und man kann für knapp 2 Neuseelanddollar solange mitfahren, wie man will. Den Vormittag ließen wir dann mit einem Spaziergang im Albert-Park ausklingen und dann ging's auch schon zum Flughafen.
Nach 24 Stunden Flugzeit und 36 Stunden Gesamtreisezeit waren wir dann wieder zu hause - und froh, diesen geologisch aktiven Teil der Welt unverletzt genossen zu haben.